Herausforderung Schichtarbeit – notwendig, aber belastend. Was tun für bessere Gesundheit und mehr Lebensqualität?
Teil 2: Lösungsansätze für bessere Schichtplanung
In unserem ersten Beitrag sind wir auf die verschiedenen Auswirkungen von Schichtarbeit eingegangen. In dem folgenden Artikel möchten wir auf Optimierungsmöglichkeiten von Schichtplanung auf Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen eingehen.
Bei unserer Recherche haben wir festgestellt, dass es nicht DAS perfekte Vorgehen für einen guten Schichtplan gibt, sondern verschiedene Möglichkeiten bestehen und diese teilweise sehr von individuellen Präferenzen abhängen. Die Kunst ist es also, die für den jeweiligen Mitarbeitenden und das Team perfekten Bedingungen zu schaffen, um einen bestmöglichen Schichtplan zu gestalten, mit dem alle Mitarbeitenden zufrieden sind und der den Betrieb der Organisation optimal abdeckt.
Bei der Schichtplanung müssen diversen Regelungen, Bedingungen und Wünsche berücksichtigt werden: Ruhezeiten und maximaler Tages-/Wochenarbeitszeit laut Arbeitsgesetz, Regelungen bezüglich Schichtabfolge und -länge, maximale Anzahl Arbeitstage am Stück, Anzahl Erholungstage, Pausenfrequenz und -länge, notwendige Qualifizierung der Mitarbeitenden in bestimmten Diensten/Schichten, Dienst-, Ferien- und Freiwünsche der Mitarbeitenden etc. Je grösser das Team, desto schwieriger und komplexer die Schichtplanung.
Schichtwechsel oder feste Schichten?
Wenn sich eine Organisation für wechselnde Schichten entschieden hat, wird empfohlen, die sogenannte schnelle Vorwärtsrotation anzuwenden. Das heisst, dass auf die Frühschicht, die Spätschicht und dann die Nachtschicht folgt und zwar am Besten max. 2-3 Tage der gleichen Schicht hintereinander. Darauf sollten mehrere freie Tage für die Erholung folgen. Durch diese Schichtabfolge soll der Übergang zwischen den Schichten erleichtert werden, aber der Körper, der gerade durch die Nachtschicht gegen die innere Uhr arbeitet, soll sich durch die schnelle Abfolge auch nicht «zu sehr» daran gewöhnen. In der darauffolgenden längeren Pausenphase soll der Körper wieder in den normalen Rhythmus zurückfinden.
Ein anderes Konzept ist die ständige Beibehaltung von festen Schichten pro Mitarbeitenden. Diese Vorgehen kann zu einer verbesserten Schlafqualität und -hygiene beitragen und die krankheitsbedingten Abwesenheiten reduzieren. Es setzt jedoch voraus, dass an den arbeitsfreien Tagen der entsprechende Schlaf-Wach-Rhythmus beibehalten wird. Dies ist jedoch generell für die meisten Menschen mit ihrem Sozialleben wenig kompatibel bzw. schränkt diese sehr ein.
Bei beiden vorgestellten Konzepten wird empfohlen, maximal 7 Tage am Stück zu arbeiten.
Schichtbeginn und -ende sowie Schichtlänge
Bezüglich Schichtbeginn und -ende lauten die Empfehlungen: Die Frühschicht sollte nicht vor 6 Uhr beginnen, die Nachtschicht nicht länger als bis 6.30 Uhr dauern. Die Nachtschicht sollte idealerweise kürzer sein, da die Aufmerksamkeitsspanne nachts deutlich reduziert ist.
In älteren amerikanischen Studien wurde der Wechsel von 12h zu 8h-Schichten untersucht und festgestellt, dass 12-Stunden Schichten nicht unbedingt schlechter sind. Mitarbeitende empfanden diese sogar als sozial verträglicher und bevorzugten sie gegenüber den 8-Stunden Schichten, u.a. auch weil sie so weniger Tage arbeiten mussten. Im Arbeitsablauf haben 12h-Schichten den Vorteil, dass weniger hand-overs pro Tag benötigt werden. Allerdings sind 12h-Schichten mit den meisten europäischen Arbeitsgesetzen nicht kompatibel.
Pausen und Erholungstage
Um die Konzentration und das Leistungsniveau kontinuierlich hoch zu halten, werden mehrere kurze Pausen statt einer längeren Pause während der Schicht empfohlen. Die ausreichende Anzahl an Erholungstage scheint wichtiger zu sein, als die Anzahl der Nachtdienste zuvor. Wenn möglich sollte unter der Woche mindestens ein freier Abend eingeplant werden, um soziale Teilhabe zu ermöglichen.
Interventionen, um den zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmus zu beeinflussen
Schlaf
Ausreichend Schlaf ist sicherlich einer der Hauptfaktoren für das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden im Schichtdienst. Ideal sind 7-8 Stunden Schlaf am Stück, dennoch ist bekannt, dass gerade der Schlaf am Tag nicht so tief und lang ist, wie der in der Nacht und somit der Erholungseffekt geringer. Eine Studie kommt zu dem Schluss, dass der Tagesschlaf in zwei Abschnitte unterteilt werden kann: Die erste Schlafphase, der sogenannte «Ankerschlaf» hat Priorität, sollte recht bald nach dem Ende der Nachtschicht stattfinden und 3-4h dauern. Der Zeitpunkt der zweiten Schlafphase kann sich nach anderen Prioritäten (Familie, Haushaltstätigkeiten, Termine o.ä.) richten; die Abschnitte sollten in Summe 7-9h lang sein. Wenn es möglich ist, sollte man versuchen, den Schlaf nach der Nachtschicht so weit wie möglich hinauszuschieben, um ihn dann an einem Stück zu schlafen.
Mehrere Studien empfehlen, Nickerchen bzw. kurze Schlafphasen vor oder während der Nachtschicht einzulegen, da diese die Wachsamkeit und Leistungsfähigkeit während der Schicht effektiv verbessern kann. Bezüglich der Dauer dieser Schlafphasen gibt es jedoch sehr unterschiedliche Ergebnisse, da die optimale Dauer stark vom einzelnen Individuum abhängt.
Licht
Der Einsatz von zeitlich begrenzter Exposition gegenüber hellem Licht (2000-10.000 Lux auf der Netzhaut) kann den zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmus beeinflussen bzw. verschieben und die Wachsamkeit fördern. Dabei sollte man sich einer hohen Lichteinwirkung in der ersten Hälfte der Nachtschicht und einer geringeren zum Ende der Nachtschicht aussetzen. Dennoch ist der Einsatz von hellem Licht nicht unumstritten. Generell sollte auf den Chronotyp (Lerche vs. Eule, Details siehe folgenden Blogbeitrag) des Mitarbeitenden geachtet werden und helles Licht gilt als Risikofaktor für Übergewicht und Krebs.
Sportliche Aktivität
Durch gezielte sportliche Aktivität lässt sich der zirkadiane Rhythmus beeinflussen. Dabei gilt: Nachtmenschen profitieren am ehesten von Sport am Morgen oder Abend, während sich für Morgenmenschen Sport am Morgen am besten eignet.
Pharmazeutische Produkte
Es existieren auch pharmazeutische Produkte, um den Schlaf generell oder am Tag zu verbessern oder um die Schläfrigkeit während der Wachphase zu reduzieren und somit den Schlaf-Wach-Rhythmus zu beeinflussen. Allerdings sollten zunächst nicht-pharmazeutische Interventionen angewendet werden. Bleiben diese erfolglos, sollten betroffene Personen bei Schlafproblemen oder Schläfrigkeit bei der Arbeit unbedingt eine Ärztin oder ein Arzt konsultieren.
Diese Blog-Serie basiert auf einer Literaturrecherche, bei der etwa 80 wissenschaftliche Fachartikel ausgewertet wurden. Auf Anfrage stellen wir ihnen die Literaturliste gern zur Verfügung.